Kein Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene
Abstimmungsfrage
Soll der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene abgeschafft werden?
Vorläufig Aufgenommene sind Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, wobei sich aber der Vollzug der Wegweisung als unzulässig (Verstoss gegen Völkerrecht), unzumutbar (konkrete Gefährdung im Heimatland) oder unmöglich (vollzugstechnische Gründe) erwiesen hat. Für vorläufig aufgenommene Ausländer:innen ist der Familiennachzug (von Ehegatten und ledigen Kindern unter 18 Jahren) nur möglich, wenn die Gesuchstellenden seit mindestens drei Jahren im Besitz der vorläufigen Aufnahme sind, finanziell für ihre Familie aufkommen und eine bedarfsgerechte Wohnung zur Verfügung stellen können.
Es gibt politische Vorstösse, welche den Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene abschaffen will. Der Grund ist, dass wenn ein vorläufig Aufgenommener über den Familiennachzug seine Familie in die Schweiz nimmt, die Chancen sinken, dass dieser die Schweiz je wieder verlässt. Zudem wird mit dieser Möglichkeit Missbrauch betrieben, da die Familienzugehörigkeit praktisch nie kontrolliert wird. Dadurch kommen weitere unzählige Zuwanderer in die Schweiz, die eigentlich kein Recht auf Aufenthalt in unserem Land hätten. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) widerspricht dieser Aussage: Sowohl die Verwandtschaftsverhältnisse als auch die Identität der Nachzuziehenden werden im Einzelfall konsequent überprüft. Der Familiennachzug ist somit restriktiv ausgestaltet.
Die Statistik zeigt, dass verheiratete vorläufig Aufgenommene, die ohne Familie in die Schweiz eingereist sind, häufiger erwerbstätig sind als verheiratete vorläufig Aufgenommene, die zusammen mit ihrer Familie eingereist sind. Für die erste Gruppe von Personen besteht offenbar ein Anreiz zu arbeiten, da ihnen dadurch der Nachzug von Familienangehörigen eher ermöglicht wird. Die Anwesenheit der Familie in der Schweiz kann ein Hindernis für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt darstellen und damit zu höheren Sozialhilfekosten führen. Anderseits kann die Integration von Familien durch die Einschulung der Kinder auch begünstigt werden, was wiederum die Perspektiven für eine Regelung des Aufenthaltsstatus verbessert.
Der Wortlaut der «vorläufigen» Aufnahme darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der vorläufig Aufgenommenen aufgrund lang andauernder Vollzugshindernisse (z.B. langjährige Bürgerkriege) tatsächlich langfristig in der Schweiz bleibt. In der Folge wäre eine generelle Verweigerung des Familiennachzugs von vorläufig Aufgenommen nicht vereinbar mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Bundesverfassung, der Europäischen Menschenrechtskonvention oder anderen völkerrechtlichen Verträgen.
In den letzten vier Jahren (2020 bis 2023) wurden im Durchschnitt jährlich 108 Bewilligungen für Familiennachzug von vorläufig Aufgenommen erteilt.
Pro-Argumente
- Ein vorläufig Aufgenommener hat keine Aufenthaltsrechte in der Schweiz, sein Asylgesuch wurde abgelehnt. Er müsste die Schweiz sobald möglich verlassen. Ein Familiennachzug mindert diese Handhabung.
- Der Familiennachzug ist ein Schlupfloch des Schweizer Asylsystems, da die Familienzugehörigkeit praktisch nie kontrolliert wird.
- Der Anreiz zu Arbeiten ist bei Personen ohne Familiennachzug grösser.
Kontra-Argumente
- Vorläufig Aufgenommene müssen oft lange in der Schweiz bleiben (z.B. wegen Bürgerkrieg), weshalb ein Familiennachzug gerechtfertigt ist.
- Die Bundesverfassung gibt das Recht auf „Achtung des Familienlebens“, das soll auch für vorläufig Aufgenommene gelten.
- Der Familiennachzug ist restriktiv ausgestaltet und nur wenige Bewilligungen werden erteilt.
Weitere Informationen unter parlament.ch (Motion 24.3511 / Interpellation 16.3803)
Abstimmungsfrage: Soll der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene abgeschafft werden?
Argumente
Pro
-
Ja, Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene soll abgeschafft werden.
Kontra
-
Nein, der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene soll gemäss geltendem Gesetz beibehalten werden.